Neujahrsrede 2009. Eine Betrachtung.
Iffezheim müsse sich an der Ausrichtung
der Internationalen Galopprennen Baden-Baden beteiligen,
forderte Bürgermeister Peter Werler in seiner Neujahrsansprache
und im BT-Interview. Der Verwaltungsleiter als Retter
des Rennsports? Der himmelblaue Anzug mit rotem Cape
und großem „S“ auf der Brust dürfte mächtig um die schmächtige
Brust schlottern. Die Rettung der Rennen kann nicht
aus dem iffezheimer Rathaus kommen, da unterliegt Peter
Werler einer weiteren Selbstüberschätzung.
Die Probleme des teutschen Galoppsportes
können nur an höherer Stelle gelöst werden. Dazu blicken
wir weit, weit mehr als 150 Jahre zurück, in jene Zeit
als der Bastard aus edlen Arabern und englischen Landpomeranzen,
genannt „Englisches Vollblut“ begann das Interesse der
Fürsten, Barone und Grafen zu wecken. Hatten sie endlich
einen gesellschaftlich akzeptierten Weg gefunden, ihren
Kampf um die Plätze in der Rangliste auszutragen, ohne
wie weiland sich gegenseitig die Burgen anzünden oder
in späterer Zeit sich gemäß der Etiquette auf Turnieren
die Schädel spalten zu müssen.
Da sie zu jener Zeit die herrschende
Klasse bildeten, wurde die Zucht der im landwirtschaftlichen
Alltag untauglichen und auch sonst vollkommen unbrauchbaren,
modernen Schlachtrösser flugs zum Staatsziel erkoren,
was spürbare Abgaben technische Erleichterungen nach
sich zog. Rennvereine und Privatpersonen errichteten
formidable Arenen damit sich die staatstragenden Schichten
an dem nun unblutigen Hauen und Stechen ergötzen konnten.
Als sich dann am Horizonte abzeichnete,
daß die Einsätze (sprich Nenngelder) und gestifteten
Preise und Pokale nicht ausreichen würden, um die Wettkämpfe
derer von und zu weiterhin in gewohnter Exklusivität
und Pracht abzuhalten, wurde den Veranstaltern kurzerhand
unter Umgehung des in calvinistischer Strenge
formulierten allgemeinen Glückspielverbotes erlaubt,
Wetten auf den Ausgang der Rennen anzunehmen und mit
deren Ertrag das staatserhaltende Kräftemessen
ohne ohrenbetäubenden Schlachtenlärm zu beflügeln.
Fürderhin lief denn auch alles
prächtig und gut, wenn auch mal hier und da manch Fenster
und Küchen bauender Parvenu sich erdreistete, in den
Kreis der Erlauchtigkeiten vordringen zu wollen. Ausgenommen
wie eine Weihnachtsgans, verging ihm darob die Lust
auf die höheren Weihen.
Alles lief gut, bis das Netz der
Netze in seiner subversiven Anarchie die Wohnzimmer
der militanten Wetter okkupierte und findig-windige
Geschäftsleute unter dem Schutze der Steuergesetzgebung
abholder Inseln Rund um die Uhr Wettmöglichkeiten anboten
und die Sesselforzer der Notwendigkeit enthoben, ihren
Hintern den Unbilden einer wettergepeitschten Rennbahn
aussetzen zu müssen. Und dies alles außerhalb der rechtlichen
Gegebenheiten dieses unseres Landes, welches die Gunst
des Anbietens von Pferdewetten den Rennvereinen vorbehält,
welchen angesichts des Wettabflusses das Wasser mittlerweile
mindestens bis zum Halse steht.
Und genau hier beginnt sich nun
die Gretchenfrage aus der Ursuppe zu bilden, deren Formulierung
seitens des Clubs an die hohe Politik ich seit Jahren
vermisse: Wird die Züchtung einer eigentlich vollkommen
überflüssigen Pferderasse auch weiterhin als Staatsziel
gesehen?
Wird dies verneint, so bedeutet
dies das Aus für die Galopprennen in Deutschland, denn
ohne den exklusiven Status des Staatsziel fehlt jegliche
rechtliche Begründung für das Privileg der Pferdewetten
und somit das – wenn auch derzeit teil amputierte –
Standbein. Da kann auch der iffezheimer Bürgermeister
in einem noch so blauem Dress mehr was richten.
Wird bekräftigt, daß die Zucht
des Englischen Vollblutes weiterhin hehres Staatsziel
verbleibt, so ist es denn Aufgabe der hohen Herrn, den
bestehenden rechtlichen Vorgaben zur Durchführung der
Zuchtprüfungen Geltung zu verschaffen und massiv gegen
illegale Rennwetten in Inland und Internet vorzugehen.
Wiederum etwas, das sich weit oberhalb der Kompetenzen
des iffezheimer Rathauses abspielt.
Was also reitet den iffezheimer
Rathauschef den Sattel auf den weißen Schimmel zu werfen
und und den dörflichen Rettungsschirm aufspannen zu
wollen? Sich weiterhin im Spiegel des überregionalen,
ja internationalen Blätterwaldes zu sonnen? Sich im
letzten Amtsjahr gut zu positionieren um im kommenden
Wahlkampf in strahlender Rüstung als Retter der Rennen
dazustehen?
Warum sonst sollte sich die Gemeinde
ins Abenteuer Pferderennen stürzen? Weil im Rathaus
die Erkenntnis reifte, daß die Verantwortlichen im Club
mit dem Abhalten der Rennen intellektuell und organisatorisch
vollkommen überfordert sind? Weil der Club Personal
abbauen will oder muß und dessen Aktivitäten dann von
der Gemeinde übernommen werden sollen?
Egal, welche Beweggründe zu der
verquasten Überlegung führten, die Gemeinde kann und
darf sich am Risiko der Rennausrichtung nicht beteiligen.
Mit gehangen, mit gefangen wird die Gemeinde bei einer
Beteiligung am Betrieb der Rennbahn aus einem finanziellen
Desaster nicht ungeschoren davonkommen. Und die finanziellen
Abgründe sind tief, wie wir derzeit vor Augen geführt
bekommen.
Fehlt es dem derzeitigen Betreiber
an der Kompetenz zum Betrieb einer Rennbahn, so muß
man diesen davonscheiden lassen und einen befähigten
Nachfolger installieren. Und dieser kann nicht Gemeinde
Iffezheim heißen. Hockenheim in Iffezheim ist das Allerletzte,
was wir brauchen.
Wodurch hat sich die Gemeinde
denn ausgezeichnet, was sie zum Organisator einer Massenveranstaltung
prädestiniere? Die Kleinkunstreihe, die sich durch äußerst
ausgedünnte Ränge auszeichnet? Die triumphal-spektakuläre
Rheinquerung anläßlich der Tour de France, die weltweit
niemand zu Gesichte bekam, weil statt dessen das
Gesamtkunstwerk der Radfreunde Iffezheim über die Millionen
Bildschirme flimmerte?
Wären da noch die unbezahlbaren
Schulden des Internationalen Clubs, die allen Kritikern
recht geben, die den Bau der Bénazet-Tribüne als überspannt
kritisierten. Aktuell scheint der Club nicht mehr in
der Lage zu sein, weder seinen finanziellen Verpflichtungen
gegenüber den Banken und sonstigen Geldgebern noch den
Forderungen aus den gestundeten Pachtzahlungen
an die Gemeinde nachzukommen. Der aktuelle Liquiditäzsengpass
könne nur durch einen weitgehenden Forderungsverzicht
beendet werden, so die Club-Spitze. Im Falle einer Insolvenz
des Clubs wird die Gemeinde wohl auf ihrer gestundeten
Pacht sitzenbleiben, so daß ein Forderunsgverzicht im
Haushaltswerk kaum sichtbaren Spuren hinterlassen wird. Alle
weiteren finanziellen Zugeständnisse sind jedoch von
dem noch ausstehenden Business-Plan des Clubs abhängig,
dessen Grundlage jedoch nur die oben angemahnte, längst
überfällige politische Entscheidung über die Weiterführung
der Zuchtprüfungen des Englischen Vollblutes als Staatsziel
und die konsequente Umsetzung dieser Entscheidung
sein kann.
Wäre da noch die Rennbahnbewirtung
durch die Vereine. Rechnen wir doch mal nach, was die
Gemeinde in den letzten drei Jahrzehnten in die Rennen
investierte. Bürgermeister a.D. Otto Himpel berichtete
einst, daß in seiner Amtszeit 20 Millionen Mark in Infrastrukturmaßnahmen
in und um die Rennbahn investiert wurden. In die Amtszeit
seines Nachfolgers fallen der Baukostenzuschuss für
die Bénazet-Tribüne, die gestundeten und erlassen Pachten
und die Verluste aus dem Parkplatz an der Rennbahn.
Über die Jahre dürften dies niedrig angesetzt 300 000
€ jährlich ausmachen, die von der Gemeinde in die Rennen
geflossen sind. Und der Ertrag?
Wäre da noch die Region, für die
es laut Bürgermeister gelte, die Rennen zu erhalten.
Von den 20 Millionen durch die Rennen erzielte Wertschöpfung
verbleiben nicht mal Peanuts, sondern lediglich deren
Schalen in Iffezheim. Wo ist der Beitrag zum Erhalt
der Rennen von denen jenen, die sich an den geschöpften
20 Millionen jährlich laben?
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