H O M E
 
 

Iffze.de > Aktuell > Neues > Neues 2005

 
2. Juli 2005

 

 


Süchtig nach dem reinen Klang
 

Wenn sich vergorener Traubensaft in den Rhein ergießt statt den Äther zu befruchten, die Liebste aus der Mühle und das Auto aus der Tiefgarage verschwindet, ist der HardTChor am Werk. Bei idealem Open-Air-Wetter war dessen vom Männergesangverein Iffezheim veranstalteter Auftritt im Atriumhof der Astrid-Lindgren-Schule ein voller Erfolg.

Den Abend eröffnete das Vorprogramm der Iffezheimer Musikschule Allegro. Stefanie Rohr spielte unter anderem Gershwins vierhändige „Rapsody in Blue“. Fabian Weber intonierte am Keyboard sein eigenes Geburtstagständchen. Im wahrsten Sinne des Wortes „krachen“ ließ es das Schlagzeugensemble der Schule unter Leitung von Laszlo Hudacsk, der sonst als Percussionist mit so illustren Begleitbands wie den Wiener- oder Berliner Symphoniker durch die Lande tourt. In ihrem „Drummer's Circus“ ließen die fünf angehenden Schlagzeuger des Musikvereins begeisternd Pferde parieren oder Elefanten tanzen. Phonstärke mäßig mithaltend, gab ihnen das Publikum den verdienten Applaus zurück. Mit Abba-Hits schloß das Schülerensemble das Entrée ab.

Mit A Cappella- Gesang vom Feinsten, gepaart mit Wortwitz und und klaren Stimmen erfüllte der „HardTChor“ die Erwartungen der Zuhörer. Nomen est Omen eröffneten die zehn Semiprofies ihren Auftritt mit „Good Vibrations“, dem sie zehnstimmig das erfrischende Sommer-Sonne-Surf-Feeling gaben. Stimmlich präzise nuanciert und mit deutlicher Aussprache nahmen es die Herren mit den Inhalten nicht so genau: Meterhohe Hügel werden sich über den Gräbern manch humorloser Komponisten türmen, sollten die abgewandelten Texte denn an ihr Ohr dringen. Den laxen Umgang mit der Werktreue bekamen die Zuhörer bei Toni Ortellis „Lied der Berge“ zu spüren, als die zehn Musikanten die Speisekarte des Italieners um die Ecke hoch und runter beteten. Ähnlich verwegen textete der HardTChor bei Kurt Lissmanns Bravourstück der „alten deutschen Welle“, bei dem die Traube zwar in die Tonne und über die Flasche in die Kehle wanderte, sich aber dann schnurstracks via Kanalisation in den Rhein ergoss. Der freie Umgang mit den Liedtexten gipfelte in der femininen Version des Grönemeyers Hits „Männer“, in dem die schon als Kind auf blond geeichten, allzeit Bescheid wissenden, schnatternden, immer zu zweit auf's Klo gehenden „Frauen“ besungen wurden.

Werkgetreu intonierte der Chor hingegen schmachtende Renaissance-Lieder: Beim englischen Madrigal „Tränet meine Augen“ irrten die Herren halb blind über das Bühnenquarrée. Dies erforderte ebenso große Konzentration und Stimmfestigkeit wie Ernst Toch's 1930 entstandene „Geographische Fuge“, ein rhythmischer Parforce-Ritt durch Dirke's Weltatlas.

Daß natürlich Klassiker wie der sensibel meditativ vorgetragene „Andachtsjodler“, oder der Kanon „Maienzeit“ aus dem 12. Jahrhundert, ebenso wenig fehlen durften wie der schwule Hund der Ex-Thomaner „Die Prinzen“, versteht sich von selbst. Doch nicht nur als chorisches Gesamtkunstwerk brillierten die Sänger, auch in den Solo-Passagen überzeugten Joachim „Näsel“ Becker („Caravan of Love“), Jörg Hoffmann („King of the Road“), Martin Vögele („Ain't no Sunshine“) und Norbert Tritsch („Probier 's mal mit dem Baß“), der seine Tenorkollegen als halbe Kerle verspottete.

Daß melodische Musik auch ohne Kehlkopf und Instrumente auskommt, zeigte der HardTChor beim „Rock Trap“, der badischen Version des Schuhplattlers.

Süchtig nach dem reinen Klang, ließ das Publikum den Chor erst nach vier Zugaben von der Bühne.




 

 
Euer Kommentar an Matthias  

Seitenanfang
Zurück
Weiter
Copyright © 2005 Iffze.de