Süchtig nach dem reinen Klang
Wenn sich vergorener Traubensaft
in den Rhein ergießt statt den Äther zu befruchten,
die Liebste aus der Mühle und das Auto aus der Tiefgarage
verschwindet, ist der HardTChor am Werk. Bei idealem
Open-Air-Wetter war dessen vom Männergesangverein Iffezheim
veranstalteter Auftritt im Atriumhof der Astrid-Lindgren-Schule
ein voller Erfolg.
Den Abend eröffnete das Vorprogramm der Iffezheimer
Musikschule Allegro. Stefanie Rohr spielte unter anderem
Gershwins vierhändige „Rapsody in Blue“. Fabian Weber
intonierte am Keyboard sein eigenes Geburtstagständchen.
Im wahrsten Sinne des Wortes „krachen“ ließ es das Schlagzeugensemble
der Schule unter Leitung von Laszlo Hudacsk, der sonst
als Percussionist mit so illustren Begleitbands wie
den Wiener- oder Berliner Symphoniker durch die Lande
tourt. In ihrem „Drummer's Circus“ ließen die fünf angehenden
Schlagzeuger des Musikvereins begeisternd Pferde parieren
oder Elefanten tanzen. Phonstärke mäßig mithaltend,
gab ihnen das Publikum den verdienten Applaus zurück.
Mit Abba-Hits schloß das Schülerensemble das Entrée
ab.
Mit A Cappella- Gesang vom Feinsten, gepaart mit
Wortwitz und und klaren Stimmen erfüllte der „HardTChor“
die Erwartungen der Zuhörer. Nomen est Omen eröffneten
die zehn Semiprofies ihren Auftritt mit „Good Vibrations“,
dem sie zehnstimmig das erfrischende Sommer-Sonne-Surf-Feeling
gaben. Stimmlich präzise nuanciert und mit deutlicher
Aussprache nahmen es die Herren mit den Inhalten nicht
so genau: Meterhohe Hügel werden sich über den Gräbern
manch humorloser Komponisten türmen, sollten die abgewandelten
Texte denn an ihr Ohr dringen. Den laxen Umgang mit
der Werktreue bekamen die Zuhörer bei Toni Ortellis
„Lied der Berge“ zu spüren, als die zehn Musikanten
die Speisekarte des Italieners um die Ecke hoch und
runter beteten. Ähnlich verwegen textete der HardTChor
bei Kurt Lissmanns Bravourstück der „alten deutschen
Welle“, bei dem die Traube zwar in die Tonne und über
die Flasche in die Kehle wanderte, sich aber dann schnurstracks
via Kanalisation in den Rhein ergoss. Der freie Umgang
mit den Liedtexten gipfelte in der femininen Version
des Grönemeyers Hits „Männer“, in dem die schon als
Kind auf blond geeichten, allzeit Bescheid wissenden,
schnatternden, immer zu zweit auf's Klo gehenden „Frauen“
besungen wurden.
Werkgetreu intonierte der Chor hingegen schmachtende
Renaissance-Lieder: Beim englischen Madrigal „Tränet
meine Augen“ irrten die Herren halb blind über das Bühnenquarrée.
Dies erforderte ebenso große Konzentration und Stimmfestigkeit
wie Ernst Toch's 1930 entstandene „Geographische Fuge“,
ein rhythmischer Parforce-Ritt durch Dirke's Weltatlas.
Daß natürlich Klassiker wie der sensibel meditativ
vorgetragene „Andachtsjodler“, oder der Kanon „Maienzeit“
aus dem 12. Jahrhundert, ebenso wenig fehlen durften
wie der schwule Hund der Ex-Thomaner „Die Prinzen“,
versteht sich von selbst. Doch nicht nur als chorisches
Gesamtkunstwerk brillierten die Sänger, auch in den
Solo-Passagen überzeugten Joachim „Näsel“ Becker („Caravan
of Love“), Jörg Hoffmann („King of the Road“), Martin
Vögele („Ain't no Sunshine“) und Norbert Tritsch („Probier
's mal mit dem Baß“), der seine Tenorkollegen als halbe
Kerle verspottete.
Daß melodische Musik auch ohne Kehlkopf und Instrumente
auskommt, zeigte der HardTChor beim „Rock Trap“, der
badischen Version des Schuhplattlers.
Süchtig nach dem reinen Klang, ließ das Publikum
den Chor erst nach vier Zugaben von der Bühne.
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